Dienstag, 17. November 2020

Kostendämpfungspaket

Die Grünliberalen unterstützen die Einführung von gut begründeten Zielvorgaben für die Kostenentwicklung (ohne Rationierung), die Förderung von Netzwerken zur koordinierten Versorgung, die Einführung von fairen Referenztarifen in der Spitallandschaft und die einheitliche elektronische Rechnungsübermittlung für mehr digitale Transparenz. Die Grünliberalen befürworten ausserdem eine Flexibilisierung der Preisgestaltung von innovativen, hochpreisigen Arzneimitteln durch neue Preis-Modelle. Nicht einverstanden sind sie hingegen mit der Einführung von obligatorischen Erstberatungsstellen.

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen konstant an. In den letzten 20 Jahren im Schnitt um rund 4.5 Prozent pro Jahr, fast doppelt so stark wie das Bruttoinlandprodukt. Dieser starke Anstieg belastet die Prämienzahlenden sowie das öffentliche Budget. Die Steigerung der Gesundheitskosten kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum oder mit dem technischen Fortschritt allein erklärt werden. Auch die Krankheitsrate der Schweizer Bevölkerung genügt nicht als Erklärung. Woran liegt es dann? Die Schweiz bewegt sich in einem Angebots- und Nachfrage-orientierten Versorgungssystem, in dem medizinisch nicht begründete Mengenausweitungen stattfinden, unwirksame medizinische Leistungen von der Solidargemeinschaft getragen werden müssen und vielfach zu hohe Preise für Ärzte, Leistungen und Produkte bezahlt werden. 16–19 % der Gesamtkosten fallen an, ohne dass sie wirklich notwendig oder fair berechnet gewesen wären (vgl. die Studie «Effizienzpotenzial bei den KVG-pflichtigen Leistungen» der ZHAW und Infras).

 

Zielvorgabe für die Kostenentwicklung

Der Weg, eine konkrete Zielvorgabe für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen anzusteuern, ist nachvollziehbar und richtig. Dies funktioniert allerdings nur, wenn die Steuerung der Kosten tatsächlich dazu führt, dass medizinisch nicht notwendige oder zu teure Leistungen nicht mehr erbracht werden und insgesamt effizienter gearbeitet wird. Wenn auch die Leistungserbringer Kostenverantwortung übernehmen, so kann dieser Ansatz vernünftig sein, zumal alle Beteiligten angehört werden können.

Als zentrales Element dieser Vorlage begrüssen die Grünliberalen, dass die Auswirkungen der Kostenziele auf die Kosten- und Qualitätsentwicklung regelmässig überprüft werden müssen, um negative Folgen für die Versorgung orten zu können. Eine Rationierung von Leistungen oder Qualitätseinbussen unter einem fehlgeleiteten Kostenspardruck lehnen die Grünliberalen jedoch entschieden ab.

 

Erstberatungsstelle

Schon heute werden Kostenvorteile für günstigere Versicherungsformen bereitgestellt. Jeder und jede Versicherte kann dadurch von Rabatten profitieren. Diese Herangehensweise hat sich bewährt, nutzen sie doch bereits 70 % der Bevölkerung freiwillig.

Der Bundesrat führt aus, dass er nicht weiss, wie sich die übrigen 30 % der Bevölkerung verhalten werden, wenn sie in eine fixe Erstberatungsstelle gezwungen werden. Vermutlich wird sich der «Moral Hazard»-Effekt (z.B. durch «Ärzte-Hopping») mit der Einführung der Erstberatungsstelle nicht wirklich verringern. Es ist möglich, dass durch den verordneten zusätzlichen Arztbesuch eher Zusatzkosten entstehen.

Störend ist ausserdem, dass die erstberatende Instanz eine Pauschale für Koordinationsleistungen erhält, die gar nicht erbracht wurden. Wie grenzen sich diejenigen Leistungen, die in der Pauschale inbegriffen sind, von denen ab, die andere behandelnde oder beratende Leistungen beinhalten? Damit wird Tür und Tor geöffnet für doppelte Verrechnungen, wie sie bereits heute durch die Kombination von Pauschale mit Einzelleistungstarifen möglich sind. Diese Massnahme kann die Kosten langfristig nicht senken und dabei gleichzeitig einen unnötigen Regulierungsapparat in Gang setzen, der auch für die Patienten mühsam ist.

Zur Förderung von koordiniertem zentralem Vorgehen ist nicht flächendeckend die Wahlfreiheit bezgl. des Erstversorgers einzuschränken, sondern es sind griffigere, aber freiwillige Modelle anzubieten, die grössere Prämienrabatte anbieten (z.B. bei höherer Selbstbeteiligung).

Die Grünliberale stützen den weiteren Ausbau von alternativen Versicherungsmodellen mit attraktiveren Prämien, die im Gesundheitswesen mehr bewirken können als ein Gruppenzwang in ein neues bürokratisches System, dessen finanzielle Langzeitfolgen auf falschen Annahmen beruhen.