Freitag, 19. Februar 2021

Stellungnahme zur Umsetzung der KVG-Revision und zur Zulassung von Leistungserbringern

Die Grünliberale begrüssen, dass strukturelle Qualitätskriterien bereits auf der Stufe der Zulassung zur Abrechnung mit der OKP für alle ambulanten Leistungserbringer eingeführt werden. Unverständlich ist jedoch, dass die Bestimmungen nur für neue Zulassungsgesuche gelten sollen, nicht aber für bereits erteilte Zulassungen. Weiter wird der Aufbau eines Registers begrüsst, um Transparenz über die ambulant tätigen Leistungserbringer zu schaffen und den Austausch zwischen den Kantonen zu fördern. Die Grünliberalen schlagen jedoch vor, dass die Registerführung durch das Bundesamt für Statistik (BFS) durchgeführt wird. Zuletzt begrüssen die Grünliberalen die Festlegung von Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich, während die vorliegende Methode zur Analyse des Bedarfs an ärztlichen Leistungen kritisch zu betrachten ist.

Verordnung über die Krankenversicherung (KVV): Zulassungsvoraussetzungen

Die Zulassungsvoraussetzungen der Leistungserbringer im ambulanten Bereich, die zu Lasten der OKP abrechnen können, werden angepasst. Dies gilt in Bezug auf die Ausbildung, die Weiterbildung und die für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Anforderungen (u.a. Sprachkompetenzen). Bemerkenswert ist insbesondere der allgemeingültige neue Artikel 58g KVV zu den «Qualitätsanforderungen».

 

Die Grünliberale begrüssen, dass strukturelle Qualitätskriterien bereits auf der Stufe der Zulassung zur Abrechnung mit der OKP für alle ambulanten Leistungserbringer eingeführt werden. Es ergibt Sinn, dass die Kriterien nicht im Einzelnen detaillierter aufgeführt sind, um einen Freiraum für die sehr heterogene Gruppe der Leistungserbringer zu lassen.

 

Unverständlich ist, dass die Bestimmungen nur für neue Zulassungsgesuche gelten sollen, nicht jedoch für bereits erteilte Zulassungen. Diese Regelung ist nicht zielführend, da Versicherer und Leistungserbringer verpflichtet werden, gesamtschweizerisch gültige Qualitätsverträge über die Qualitätsentwicklung abzuschliessen, die auf eben dieser Grundlage von strukturellen Qualitätskriterien überhaupt nur durchführbar sind. Es kann nicht sein, dass letztlich die Verbände der Leistungserbringer oder die Versicherer die Zulassungsverantwortung der Kantone übernehmen. Bei der Umsetzung des neuen Artikel 58g KVV ist auf eine klare Trennung zwischen Zulassung und Qualitätsverträgen zu achten. Hier gilt es eine Übergangsfrist von beispielsweise vier Jahren einzuführen, in der alle Leistungserbringer die Qualitätsanforderungen gemäss Artikel 58g KVV erfüllen können, um ihre Zulassung gemäss der neuen Verordnung per Selbstdeklaration zu erneuern. Die Kompetenz das einzufordern soll bei den Kantonen liegen.

 

 

Bemerkungen zu einzelnen Artikeln des Erlassentwurfs der Registerverordnung und zu deren Erläuterungen

Um ein formelles Zulassungsverfahren und den Informationsaustausch zwischen den Kantonen sicherzustellen, schlägt der Bundesrat eine Registerverordnung für Leistungserbringer im ambulanten Bereich der OKP vor. Angesichts des Handlungsspielraums bei der Vergabe der Registerführung legt der Bundesrat zwei Varianten zur Stellungnahme vor: Die Registerführung durch einen Dritten ausserhalb der Bundesverwaltung (Variante 1) und die Registerführung durch das BAG (Variante 2).

 

Die Grünliberalen begrüssen den Aufbau des Registers, denn es schafft Transparenz über die ambulant tätigen Leistungserbringer, die zur Tätigkeit zulasten der OKP zugelassen sind. Das Register kann dem Austausch zwischen den Kantonen dienen, was eine bessere interkantonale Versorgungsplanung ermöglicht. Redundanzen werden vermieden.

 

Die Grünliberalen begrüssen grundsätzlich die Variante 2, jedoch unter der Prämisse, dass die Registerführung durch das Bundesamt für Statistik (BFS) (neuer Vorschlag 3) durchgeführt wird: Das BFS nimmt unseres Erachtens am geeignetsten die Rolle einer vertrauenswürdigen Instanz als Datenaggregator ein. Das BFS ist eine vertrauenswürdige Anlaufstelle, die den strengen Regeln des Datenschutzes unterliegt und eine politisch neutrale Bundesbehörde ist. Das BFS geniesst seit Jahren das Vertrauen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen und hat Erfahrungen in der Datensammlung, der Veröffentlichung und der Zusammenfassung von verschiedenen Datenquellen.

 

 

Allgemeine Bemerkungen zum Erlassentwurf der Höchstzahlenverordnung und zum erläuternden Bericht

Die Grünliberalen begrüssen die Festlegung von Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich. Es ist nachgewiesen, dass mit der steigenden Zahl von niedergelassenen Ärzten auch die Kosten steigen. Die vorgelegte Methode zur Berechnung der Höchstzahlen überzeugt allerdings nicht (Art. 5 Absatz 1 und Art. 2 Absatz 1).

 

Der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten, die in Arztpraxen oder im spitalambulanten Bereich tätig sind, soll sich auf das Fachgebiet beziehen und an einem regionalen Versorgungsgrad orientieren. Eine Region kann sich über das Gebiet eines oder mehrerer Kantone, über ein kantonsübergreifendes Gebiet oder über einen Kantonsteil erstrecken. Diese Überlegungen sind zielführend, da Versorgungsregionen nicht an den Kantonsgrenzen halt machen. Die Grünliberalen erinnern bei dieser Gelegenheit an ihre Forderung, mit maximal sechs Gesundheits-regionen die Koordination im Gesundheitssystem zu fördern und Überkapazitäten abbauen (20.4093 Motion von Nationalrat Jörg Mäder).

 

Es werden mit der Verordnung ausserdem Rahmenbedingungen geschaffen, die eine gesamtschweizerisch einheitliche Umsetzung ermöglichen. Auch das ist begrüssenswert.

 

Kritisch sehen die Grünliberalen die Methode zur Analyse des Bedarfs an ärztlichen Leistungen. Gemäss Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung legt das EDI für jedes medizinische Fachgebiet Koeffizienten fest. Die Koeffizienten werden anhand eines gesamtschweizerisch einheitlichen Regressionsmodells des Angebots an ambulanten ärztlichen Leistungen ermittelt. Die Koeffizienten bilden die Basis für die Bestimmung der Höchstzahlen. Weil das Regressionsmodell bei den Koeffizienten schweizweite Mittelwerte berechnet, besteht die Gefahr, dass ein zu hohes Leistungsniveau festgesetzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn in einer Mehrheit der Kantone bereits ein Überangebot an ambulanten ärztlichen Leistungen zu verzeichnen ist.

 

Die Berechnung der Höchstzahlen setzt ausserdem Datengrundlagen voraus, die den Entscheidungsträgern nicht oder nicht in genügender Qualität vorliegen. Die Vollzeittätigkeit als eine Tätigkeit an 10 Halbtagen pro Woche zu definieren (Art. 2 Abs. 3), ist zwar pragmatisch, da sie bereits so bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gesammelt werden – sie ist aber nicht genau genug. Ein Halbtag entspricht gemäss FMH 4–6 Stunden, was also einer Wochenarbeitszeit von 40-60 Stunden ergibt. Für den Versorgungsaspekt bzw. das Leistungsangebot ist es aber relevant, ob Ärztinnen und Ärzte im Vollzeitäquivalent 40 Stunden arbeiten oder aber 50% mehr. Es wird im erläuternden Bericht ausgeführt, dass es im spitalambulanten Bereich keine nationale Datenbank zum Beschäftigungsgrad resp. der Anzahl Vollzeitäquivalente gibt; diese müssen geschätzt werden, ausgehend vom Beschäftigungsgrad der freipraktizierenden Ärztinnen und Ärzte im untersuchten Fachgebiet. Diese Datengrundlage ist zu unsicher, um justitiabel zu sein.

 

Je weniger präzise die Datengrundlagen für die Berechnungsmethoden sind und je mehr Annahmen getroffen werden müssen, desto eher werden die Höchstzahlen bzw. die darauf gestützten Entscheide vor den Gerichten landen. Bereits heute kommt es regelmässig zu Prozessen, in denen die Gesuchstellenden argumentieren, der jeweilige Kanton habe methodische Fehler bei der Prüfung der heute gültigen Beurteilungskriterien gemacht (Art. 5 VEZL). Meist wird geltend gemacht, der Zugang der Versicherten zu einer Behandlung innert nützlicher Frist sei falsch beurteilt oder der Beschäftigungsgrad der Personen im entsprechenden Fachgebiet sei ungenügend erhoben worden: Datengrundlagen, die immer wieder neu erhoben werden müssen, da es keine transparenten Angaben dafür gibt.