Mittwoch, 22. Februar 2023

Änderung der Jagdverordnung

Zusammengefasst begrüssen die Grünliberalen mehrheitlich die vorgeschlagenen Änderungen in der Jagdverordnung, sofern die erwähnten Regulierungsgründe nach messbaren und genauen Kriterien definiert werden. Die Grünliberalen sind jedoch enttäuscht, dass die Revision der Jagdverordnung nicht auch dazu genutzt wurden, den Herdenschutz und den Artenschutz gleichzeitig zu stärken.

Die Grünliberalen sind grundsätzlich mit einer zielgerichteten Anpassung der Jagdverordnung einverstanden, um die Konflikte zwischen Wolf und Mensch weiter zu reduzieren. Die Vorschläge zur Anpassung der Jagdverordnung illustrieren auch den Spielraum, welche das geltende Jagdgesetz beim Wolfsmanagement bietet.

 

So begrüssen die Grünliberalen den neuen Artikel 9ter, welcher in Zukunft den Abschuss eines Wolfes bei schwerer und unmittelbar drohenden Gefahr für den Menschen ohne der bisherigen Anwendung der polizeilichen Generalklausel ermöglicht. Zwingende Voraussetzung für unsere Zustimmung ist jedoch, dass notfallmässige Abschüsse nachträglich beschwerdefähig verfügt werden müssen. Weiter akzeptieren die Grünliberalen auch Abschüsse von Wölfen aus Rudeln, die sich im betreffenden Jahr nicht fortgepflanzt haben unter der Bedingung eines vorliegenden grossen Schadens durch das betreffende Rudel und der gleichzeitigen Sicherung des lokalen Wolfsbestandes. Auch befürworten die Grünliberalen die Klassifizierung von schwer verletzten Nutztieren der Rinder- oder Pferdegattung als “grossen Schaden”. Jedoch fehlen aus Sicht der Grünliberalen in den vorgeschlagenen Änderungen klare und messbare Kriterien, etwa für “schwerverletzte Nutztiere” oder für “potentiell aggressives Verhalten gegenüber Menschen.“ Auch lehnen die Grünliberalen die Haupt-Kompartimente als Grundlage der Beurteilung für den Wolfbestand ab, da sie wildbiologisch nicht nachvollziehbar und willkürlich definiert sind. Die Grünliberalen lehnen es insbesondere ab, dass die Wolfsbestände nur am Rande der Überlebensfähigkeit geduldet werden könnten. Aus Sicht der Grünliberalen soll der Wolfsbestand seine wichtige Rolle im Ökosystem wahrnehmen können. Dazu gehört etwa die Kontrolle von regional übergrossen Rotwildpopulationen in den Alpen und die Förderung der Waldverjüngung (z.B. in Schutzwäldern, Weisstannen-Waldgesellschaften).

 

Ferner sind aus Sicht der Grünliberalen die vom National- und Ständerat am 16. Dezember 2022 beschlossenen Änderungen des Jagdgesetzes deshalb nicht nur unnötig, sondern sogar kontraproduktiv. Abschüsse von Wölfen sollte sich auf schadensstiftende/verhaltensauffällige Individuen konzentrieren und möglichst nahe an Nutztieren oder dem Siedlungsgebiet erfolgen, um den grösstmöglichen Abschreckungseffekt zu erzielen. Dieser Grundsatz wird aus Sicht der Grünliberalen im neuen Gesetz zu wenig beachtet.

 

Die Grünliberalen wollen auch in Erinnerung rufen, dass die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Wolfabschüssen zum Schutze von Nutztieren sehr dünn ist. Viel effektiver ist ein starker Herdenschutz. Die Grünliberalen hätten sich deshalb eine weitere finanzielle und personelle Stärkung des Herdenschutzes in der vorliegenden Revision der Jagdverordnung gewünscht. So befürworten die Grünliberalen seit längerer Zeit, dass der Bund sich zu 100% für Massnahmen für den Herdenschutz sowie an Schäden an Nutztieren durch Grossraubtiere beteiligt (Art. 10ter Abs. 1). Dazu gehört auch die finanzielle Abgeltung von menschlichen Arbeitskräften in Form von Hirtenhilfen als Ergänzung zu den Bewirtschaftungsmassnahmen. Eine Studie von 2019 im Auftrag der Kantone Uri und Wallis zeigt, dass der Schutz der Herden auf den Schafalpen finanzielle und personelle Mehraufwände verursacht, die mit dem heutigen Beitragssystem nur zu ca. 50% gedeckt sind. Hier besteht weiterhin eine Finanzierungslücke, besonders für kleine Alpen.

 

Zudem hätten sich Grünliberalen auch eine generelle Verbesserung des Artenschutzes sowie der Arten- und Lebensraumförderung in der Jagdverordnung gewünscht. Angesichts des desolaten Zustands der Biodiversität in der Schweiz sind generell zusätzliche Finanzhilfen (z.B. im Rahmen der NFA-Programmvereinbarungen mit den Kantonen) für Massnahmen für den Arten- und Lebensraumschutz sowie für Förderungsmassnahmen in eidgenössischen Wildtierschutzgebieten/Jagdbanngebieten und Vogelreservaten sowie für den Schutz und die Aufwertung der überregional bedeutenden Wildtierkorridore erforderlich. Ebenso wichtig ist, dass die Jagdverwaltungen ihre Verantwortung für die gezielte Förderung von gefährdeten Arten deutlich stärker als bisher wahrnehmen und ihnen dafür auch die notwendigen personellen und finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt werden. Besonders dringend wäre eine Professionalisierung der Gebietsbetreuung mit einem deutlich erhöhten Personalbestand an Reservatsbetreuerinnen und -betreuern, welche sowohl die Öffentlichkeitsarbeit als auch die Aufwertungs- und Schutzmassnahmen durchführen könnten.

 

Auch ist die Regulierung von geschützten Arten aufgrund von Einbussen beim Jagdregal (geltender Art. 4 Abs. 1 Bst. g) aus der Jagdverordnung zu streichen. Grossraubtiere siedeln sich nur in Regionen mit überhöhten Wildbeständen an und leisten damit einen wichtigen Beitrag an die natürliche Waldverjüngung. In der Verordnung gibt es zudem keine quantifizierbare Definition von «hohen» Einbussen im Jagdregal. Damit besteht weiterhin das Risiko, dass der Bestand von geschützten Arten reguliert wird, nur um unnatürlich hohe Wildbestände für die Jägerschaft zu gewährleisten.

 

Weiter gehört die nach wie vor existierende Wilderei von geschützten Arten wie Luchsen, Wölfen, aber auch von Wanderfalken, gezielt bekämpft. Die Grünliberalen fordern, dass kantonale Daten zur Wilderei systematisch gesammelt und jährlich vom BAFU in der nationalen Jagdstatistik publiziert werden. Anhand aktualisierter Daten und einer stärkeren Transparenz könnten Hotspots der Wilderei einfacher erkannt und gezielter bekämpft werden.